Arno Ströhle
Arno Ströhle

Mein zweiter Marathon in Hamburg

(23.04.06)

 

Man hört immer wieder, mit 50 Jahren ist der Zug abgefahren, da baut der Körper ab, da kannst du nur noch Erhaltungsmaßnahmen ergreifen, aber keinen Muskelaufbau oder sonstigen Trainingsaufbau mehr. Alles Quatsch! Bestes Beispiel, bin ich selbst. Wenn ich daran denke, dass ich noch im Sommer 2004 nur etwa 10 Minuten laufen konnte und das auch noch mit erheblichen orthopädischen Problemen. Und dann im September 2005 in Berlin 3:43 und jetzt in Hamburg 3:18 laufe, da kann man doch von einem nicht unerheblichen Aufbau sprechen, oder? Dass ich unter den ersten 8,8% Finisher meiner Altersklasse und unter den ersten 13,8% Finisher in der Gesamtwertung lag, untermauert bzw. bestätigt dies doch nur. Und war ich in Berlin am Ende total fertig, so war dies in Hamburg keineswegs der Fall. Es reichte hinterher sogar noch für einen ausgedehnten Stadtbummel, ca. 2 Stunden zu Fuß mit anschließendem Pizzaessen.

 

Und so ging’s.

Ich konnte dieses Mal schon wie ein alter Hase zur Sache gehen. Kein Stress oder Hektik vor dem Start. Meine vorher zurecht gelegte Renntaktik konnte ich von Anfang an voll umsetzen. Nachdem ich noch 45 Minuten vor dem Start einen Kohlenhydratriegel gegessen hatte, habe ich meinen Kleiderbeutel in der Messehalle abgegeben und ging ganz gemütlich zu meinem Startblock E. Ca. 20 Minuten bis zum Start. Ich bin immer noch ruhig. In Berlin hatte ich schon ca. 120 Puls und beim Startschuss fing ich dort mit ca. 130 an. Jetzt hatte ich nur etwa 94. Nach dem Startschuss ging ich erst Mal ca. 1 Minute ganz normal bis zur Startlinie. Danach fing ich ganz langsam an zu Traben. Erst allmählich kam ich dann in mein Renntempo. Nun wurde ich im Gegensatz zu Berlin andauernd überholt. Das ging bis zu km 15 so. Aber ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen, denn laut meiner Uhr war ich voll in meiner vorgelegten Zeit. Die Verlockung war schon da, schneller zu laufen, aber ich hielt mich dieses Mal zurück. Ab km 21 hörte es dann endgültig auf, überholt zu werden. Ab jetzt überholte  hauptsächlich nur noch ich. Ich war immer noch frisch und im Gegensatz zu Berlin, wo hier schon die ersten Ermüdungserscheinungen auftraten, war ich immer noch munter.

Die Leute an der Strecke und auf den Balkonen hatten Festlaune und einen riesigen Jubel veranstaltet. Immer wieder hörte man seinen Namen aus dem Publikum zugerufen. Ich bekam mehrmals richtige Gänsehaut. Der erste Adrenalinstoß bekam man an den Landungsbrücken, ca. 10 km nachdem Start. Hier gab es einen heißen Beifallsrausch. Der Jubel kannte kein Ende.

KM 30, in Berlin kam hier der Einbruch, aber dieses Mal, keine Spur davon. Ich war fit und zog das Tempo jetzt etwas an. Es war ein riesiger Unterschied zu Berlin, ich hatte durch das bessere Wohlbefinden viel mehr vom Rennen. Ab km 35 spürte ich dann meine Muskeln, aber es war nicht so, dass ich jetzt müde wurde oder mein Tempo reduzieren müsste. Es waren halt einfach 35 km. Die 40 km-Marke kam und ich sagte zu mir: du bist immer noch relativ fit und es tut nichts weh, also jetzt gib noch mal Gas. Ich setzte dann bis zum Ziel zum Endspurt an und kam unversehrt und wohlbehalten ins Ziel.

 

Einzig von dem Endspurt außer Atem, brauchte ich mich hinterher weder setzen noch hinlegen. Ich war den Umständen entsprechend fit. Ich ging ins Hotel, duschte und machte daraufhin noch einen zweistündigen Stadtbummel. Alles in allem, mein Konzept ging voll auf.

 

 

 

 

 

Und noch was!

 

Die Teilnahme der Laufkameraden, Bekannten und Übungsleiter, allen voran meine Trainerin Karin an dem Erreichten, ist doch beachtlich. Karin freut sich immer ganz herzlich über einen Lauferfolg. Aber auch wenn’s Mal nicht so klappt, baut sie dich wieder auf und gibt dir Rückenstärke. Aber auch die vielen E-Mails, die ich nach meinem Lauferfolg erhalten hatte, aus denen Freude und Respekt hervorgeht, dürfen nicht unerwähnt bleiben. Einer davon, ein alter Laufveteran mit einem Laufladen, meldet sich nach jedem Wettkampf mit neuen Zielaufgaben. Bei seiner ersten Mail dachte ich, der hat sie nicht mehr alle, das kann ich doch in meinem Alter gar nicht mehr erreichen. Aber inzwischen denke ich doch anders darüber. Ich glaube schon, dass die einen oder anderen Ziele noch machbar sind. Ich weiß immer noch nicht wo meine Grenzen liegen und habe deshalb keinen Grund, die Zielvorgaben von meinem Laufveteran anzuzweifeln. Ich werde dementsprechend am Ball bleiben.

 

Mein nächstes Ziel ist auf jeden Fall erst einmal, meinen ersten 100er in Biel gut zu überstehen und ein für mich persönlich zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen. Dann möchte ich noch meinen 4. Platz in der Gesamtwertung der Crosslaufserie im Winter verbessern. Dazu habe ich einen neuen „Holger Maier“ gefunden. Der 4. Platz bei meiner ersten Teilnahme hat Appetit gemacht. Wenn ich das alles schaffe, dann habe ich eine gewaltige Laufsaison hinter mich gebracht, die ich dann nicht mehr so schnell toppen kann.